Maria Ulbrich Kita Putbus

Interview mit M. Ulbrich

Zur Person: Frau Maria Ulbrich ist die Leiterin der Evangelische Kindertagesstätte Sankt Martinsgarten in Putbus und lebt mit ihrem Mann Sven und Luna, der Hundedame in Bergen auf Rügen.

Liebe Frau Ulbrich!  Sie sind seit knapp vier Jahren Leiterin der Evangelischen Kindertagesstätte „Sankt Martinsgarten“ in Putbus. Mich interessieren zunächst zwei sehr persönliche Fragen. Erinnern Sie sich, wann sich der Gedanke festgesetzt hat, Erzieherin zu werden? Und welche ihrer Erwartungen haben sich aus heutiger Sicht erfüllt?

Der Wunsch Kindergärtnerin zu werden, stammt schon aus meiner eigenen Kindergartenzeit. „Schließlich kann ich dann auf Arbeit spielen“ – so meine kindliche Idee. Später dann als ich mit meiner Mutter bei der Agentur für Arbeit in Bergen saß, und die Beraterin uns erläuterte, dass sich dieser Beruf „Erzieherin“ nennt und für den Einsatz in unterschiedlichen Bereichen qualifiziert, stand für mich bereits unwiderruflich fest, dass ich nur in einem Kindergarten arbeiten würde.
Heute bin ich angekommen. Ich kann das machen, was ich mir damals gewünscht habe. Neben vielen anderen Aufgaben bleibt der direkte Kontakt zu den Kindern zentral für meine Arbeit. Kein Tag vergeht, ohne dass nicht mit den Jungen und Mädchen, den Kolleginnen, den Eltern und anderen etwas Neues zu entdecken und zu lernen wäre. Das macht mich zufrieden. Ich fühle mich hier einfach wohl, auch wenn es mal stressig wird.

Mit 32 Jahren sind Sie für die Leitung einer Kindertagesstätte, die immerhin derzeit von 44 Kindern besucht wird, noch recht jung. Wie kommen Sie nach Putbus?  Wie und wo war Ihre Ausbildung und welche Erfahrungen bringen Sie mit?

Im Sommer 2005 habe ich meine schulische Ausbildung zur Sozialassistentin begonnen. Danach folgte für drei Jahre die Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin in Bandelin bei Greifswald. In diesen fünf Jahren bin ich sozusagen beruflich erwachsen geworden. Während der Ausbildungszeit durchlief ich Praktika in den verschiedensten Bereichen. Neben mehreren Kitas in Bergen, war ich auch in der CJD Nord Fachklinik für Kinder und Jugendliche in Garz Praktikantin und machte Erfahrungen als „Ziehmutter“ in einem Kinderwohnheim, auf der Kinderstation im Sana – Krankenhaus Bergen lernte ich die Arbeit dort in einem Pflegepraktikum kennen.
Der Wechsel zwischen Theorie und Praxis hat mich oft durch die Herausforderungen in realen Situationen zum Umdenken angeregt. Nach bestandener Prüfung verhalf mir das gute Ergebnis gleich zu mehreren Bewerbungsgesprächen und Optionen. Der „Sankt Martinsgarten“ in Putbus, diese kleine Kita in der Kirche, hat mich völlig abgeholt. Die Lage neben dem Rehgehege inmitten des Parkes ist einmalig. Das kleine Team, damals drei Leute, empfing mich herzlich. Manchmal merkt man einfach, was für einen bestimmt sein soll!

Wie sehen Sie die Schwerpunkte Ihrer Führungsverantwortung?

Mittlerweile arbeite ich seit elf Jahren hier in der Evangelischen Kita. Natürlich gibt es auf den unterschiedlichsten Ebenen Tag für Tag viel zu organisieren, um den Kolleginnen den Rücken freizuhalten. Das Bewusstsein, dass wir alle in einem Boot sitzen, braucht zum Handeln auch das harmonische Miteinander, welches gepflegt sein will. Teamarbeit ist ein wenig wie ein Eheleben. Man erlebt gemeinsam Höhen, aber meistert auch gemeinsam Tiefen. Und umso mehr Erfahrungen man im Sinne des Gelingens sammelt, umso mehr wächst der gegenseitige Respekt. Leider gab es bis vor zwei Jahren oft personellen Wechsel, auch weil die Einrichtung größer geworden ist. Seit 2014 ist eine Krippengruppe unsere „Sternchen “ hinzugekommen. Mittlerweile arbeiten wir zu acht.
Das Prinzip meines Führungsstils ist einfach – Offenheit: „Sag, wenn dir etwas auf dem Herzen liegt.“ 

Frau Ulbrich, Sie sprechen von der Kita in der Kirche. Das ist zunächst einmal räumlich zu verstehen. Es wird tatsächlich nicht allzu oft vorkommen, dass Kirche und Kita in einem Gebäude untergebracht sind. Da stellt sich natürlich die Frage, welche Synergieeffekte sich ergeben, oder anders gefragt: Wie wirkt sich die unmittelbare Nähe auf den Alltag der Kindertagesstätte aus?

Ja, es kommt wahrlich nicht oft vor, dass eine Kita im Anbau einer Kirche gelegen ist und
diese Besonderheit zeichnet uns auch aus. Wir arbeiten nach dem religionspädagogischen Ansatz, was bedeutet, dass unser Kitajahr durch das Kirchenjahr geprägt wird. So erfahren die Kinder was für Christen Pfingsten bedeutet, warum wir Weihnachten feiern und wir reden beispielsweise anlässlich des Osterfestes auch offen über den Tod. Alle zwei Wochen kommt unsere Pastorin, Frau Marlow oder unsere Gemeindepädagogin, Frau Walter zum Morgenkreis zu uns zu Besuch. Dann werden biblische Geschichten in kindgemäßer Weise erworben. Lieder und Bodenbilder, das sind Dinge und Materialien, die auf dem Boden arrangiert werden, veranschaulichen die Erzählungen. Durch Theaterspiele kann vieles weiter verinnerlicht werden. Beide gehen ganz auf die Kinder ein und lassen sich immer wieder neue Methoden einfallen.

Und natürlich nehmen wir auch an Gottesdiensten teil; zum Erntedank bringen wir Erntegaben mit in die Kirche und tragen oft noch ein Fingerspiel oder Lied vor.  Jedes Jahr zu Weihnachten freuen wir uns auf das Krippenspiel. Leider macht uns auch in diesem Jahr einmal mehr Corona einen Strich durch unsere Pläne.

Habe ich Sie richtig verstanden, dass der religionspädagogische Ansatz Teil des Konzepts des „Lebensbezogenen Ansatzes“ von Nobert Huppertz aus Freiburg ist, nach dem die Kindertagesstätte „Sankt Martinsgarten“ arbeitet? Werte und Ziele dieser pädagogischen Richtung sind benannt mit den großen Aufgaben „Gerechtigkeit“, „Frieden“ und „Natur“. Die Kinder sollen zu Weltbürgern werden. Wie gestalten Sie und Ihre Kolleginnen die Angebote für die kleinen Menschen in diesem Sinne? Was können die Mädchen und Jungen in den verschiedenen Gruppen erleben, um entsprechende Haltungen und Handlungskompetenzen zu gewinnen?

Vor etwa zwei Jahren haben wir an einem Teamtag unser Konzept überarbeitet. Frau Neugebauer, die damalige Fach- und Praxisbegleiterin hat uns dabei unterstützt.  Wir erkannten, dass unsere Arbeitsweise im Wesentlichen dem „Lebensbezogenen Ansatz“ entsprach. Seitdem arbeiten wir sehr bewusst mit diesem Konzept. Er passt deshalb gut zu uns, weil uns sehr wichtig ist, den Kindern Werte zu vermitteln. Diese finden sich aus unserer Sicht besonders im christlichen Menschenbild, aber auch in dem Auftrag die Natur zu pflegen und zu bewahren. Wir wollen unsere Kinder auf das Leben vorbereiten und sie sozusagen schon im Hier und Jetzt zu kleinen Weltbürgern befähigen. Wir bieten ihnen Raum sich selbstständig zu erleben und zu handeln, andere zu akzeptieren, ihre Meinung beherzt zu äußern, ein gewisses Gerechtigkeitsgefühl zu entwickeln und offen und neugierig zu sein. Wir fördern ihre Interessen und festigen sie. Damit sind prinzipielle Grundbausteine unserer Arbeit benannt.
Viermal im Jahr arbeiten wir gemeinsam an einem Kurzprojekt. Das passende Thema entsteht durch die Beobachtung der einzelnen Kinder und dem Gruppengeschehen. Wir folgen den Bedürfnissen der Jungen und Mädchen und wählen danach die Themen aus. Im letzten Jahr haben wir uns im Januar dem Gesundheitsthema „Corona“ gewidmet.
Im Juni experimentierten die Kinder unter der Überschrift „Papier fetzt“. Im August dann haben wir uns mit dem Leben im Wald beschäftigt und im Oktober waren wir im Weltall unterwegs bei „Sonne, Mond und Sternen“. Jede Erzieherin interpretiert das jeweilige Thema für ihre Gruppe und deren Altersbereich. Am Ende präsentieren wir das Ergebnis den Eltern in einem Aushang. Alle zwei Jahre gestalten wir gemeinsam mit unserer Pastorin ein Thema aus dem religionspädagogischen Bereich. Im Vorfeld wird in den Teamsitzungen eine MindMap erstellt, um die verschiedenen Wege, Kooperationspartner und Methoden für alle zu öffnen. Die Planung beginnt die Erzieherin, doch der Weg und die Inhalte und wie diese dann durchgeführt werden und wie intensiv, liegt an den Kindern. Durch die Jungen und Mädchen wurde schon mal aus einem vorher geplanten Theaterspiel am Ende eine musikalische Aufführung.

Können Sie Beispiele nennen wie Sie die Kinder an die Verantwortung für die Natur heranführen?

Verantwortung erfordert Kopf, Herz und Hand wie uns Pestalozzi schon aufzeigte. Bei uns legten beispielsweise interessierte Kinder mit einer Erzieherin ein Kräuterbeet an und pflegen es auch. Es gibt ein Spalier mit Obstbäumen und Beerensträuchern. Die Erkenntnis, dass wir die Natur für unsere Ernährung brauchen, wächst da sozusagen wie von selbst. Einmal im Monat ist unser Waldtag. So erleben wir, was die Jahreszeiten an Veränderungen bereithalten. Wir finden Tierspuren, hören den Vögeln zu, beobachten Ameisen und erfahren in kleinen ungeplanten Begebenheiten auch ökologische Zusammenhänge. Die Sinne werden angeregt, der Körper in guter Luft trainiert und ein allgemeines Wohlbefinden erzeugt. Natürlich bringen die Kinder jedes Mal eine Menge an Fragen mit, Erlebnisse werden erinnert und erzählt. Die Erzieherinnen greifen in Kurzprojekten behutsam Fragen und Beobachtetes wieder auf, und sprechen durchaus dann auch schwierige Themen an, wie Umweltverschmutzung und die Bedeutung von Naturschutz.

Liebe Frau Ulbrich,
vielen Dank für diesen Einblick in Ihren Arbeitsalltag und die besonderen Angebote in der Kindestagesstätte St. Martinsgarten in Putbus. Ich möchte gerne das Interview mit einer ungewöhnlichen Frage beenden. Stellen Sie sich vor, es ist früh am Morgen. Sie sind durch den Park auf dem Weg zur Arbeit. Plötzlich taucht aus dem Nebel eine Fee auf und fragt Sie nach einem Wunsch, den sie Ihnen in Ihrer Funktion als Leiterin der Kindertagesstätte erfüllen möchte. Was würden Sie ihr antworten? 

Liebe Fee, ich möchte keine Coronaverordnungen mehr beachten. Ich wünsche mir
unseren „stinknormalen“ Kitaalltag zurück. Mit gemeinsamen Spielen aller drei Gruppen im
Spielgarten, mit unseren gemeinsamen kunterbunten Freitags-Morgenkreisen und schöne
Feste und Feierlichkeiten mit den Eltern.

Gefragt hat Jutta Neuper aus Überlingen am Bodensee. Von Beruf Sonderschullehrerin, gab sie nach ihrer Pensionierung als Dozentin ihre Erfahrung an zukünftige Erzieherinnen und Erzieher weiter. Dieses Interview ist auf schriftlichem Wege per Mail entstanden und wurde am 20. 12. 21 beendet.