Gemeindebrief

Gemeindebrief – Februar 2024

HELAU!

Am 12. Und 13. Februar ist es wieder so weit, am Rosenmontag
und Faschingsdienstag erreicht der Karneval seinen Höhepunkt,
bevor das fröhliche Treiben am Aschermittwoch wieder ein Ende
hat und bis Ostern die karge Zeit des Fastens beginnt. Ich vermute, die meisten von Ihnen bleiben völlig ungerührt bei dieser Ankündigung, spielt doch die Fastnacht bei uns im Norden eine eher untergeordnete Rolle, und eine vorgeschriebene Fastenzeit gibt es hier dank Luthers Reformation schon seit ewigen Zeiten nicht mehr.
Die Karnevalstradition stammt ursprünglich aus den Klöstern: 40 Tage Fasten vor Ostern gehörte fest zum streng gelebten katholischen Ritual. Da Lebensmittel langfristig eingelagert wurden und etliches in der kargen Zeit zu verderben drohte, lag es nahe, die Vorräte zuvor zu verbrauchen und ordentlich zu prassen. Dabei gerieten die angelernten Verhaltensregeln aus den Fugen, Ämter wurden getauscht, neue Obrigkeiten gewählt, Hemmschwellen aufgehoben und unter dem Schutz der Maske jene teuflischen Laster zelebriert, deren Versuchung man sonst zu widerstehen hatte. Für ein paar Tage entstand das Abbild einer Gegenwelt zur gottgewollten Ordnung, die sich danach umso überzeugender als sicherer Hafen von diesem Chaos abhob.
Der Reiz eines solchen ungezügelten, befreienden und doch zeitlich eindeutig begrenzten Treibens lässt sich nachvollziehen. Der Fasching eroberte im Mittelalter Städte und Regionen – bis Martin Luther etliche der praktizierten christlichen Traditionen hinterfragte. Er forderte mehr Freiheit und Eigenverantwortlichkeit im Glauben. Statt gemeinsamer vorgeschriebener Fastenzeit sollte jeder Christ selbst entscheiden, wann und wie lange er auf Überflüssiges verzichten wolle. Ohne Fastenzeit gab es auch keine Fastnacht mehr, kein exzessives, ausuferndes über die Stränge schlagen, keine närrische Abrechnung mit der herrschenden Ordnung. Ein – zumindest vor Gott – freier Mensch brauchte dieses
Ventil nicht mehr. Der Obrigkeit war es zumeist recht, dem unkontrollierten Treiben ein Ende zu setzen.


Doch Traditionen können sich über Jahrhunderte hartnäckig halten, bedeuten sie doch auch ein Stück Identität. Faschingsumzüge gibt es nicht nur in katholischen Gegenden, sondern auch in Sachsen und Thüringen – immerhin lutherisches Kernland. Und die heimliche Sehnsucht, einmal aus seiner Haut zu schlüpfen und mal richtig über die Stränge zu schlagen, zieht heute auch zahlreiche Norddeutsche zum Karneval an den Rhein.

Valerie Riedesel